Nr. 17

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aventinus generalia Nr. 17 [04.01.2013] / Skriptum 2 (2012), Nr. 1 (Unveränd. Nachdruck) 

Julia Fichtner 

Blick in die Historikerwerkstatt: Interview mit Dr. Heidrun Ochs zum 49. Deutschen Historikertag 2012 


Dr. Heidrun Ochs wurde 1973 Mainz geboren.

Akademische Laufbahn: 1992–1995 Studium Mathematik und Physik, Lehramt, 1995–2000 Studium Geschichte und Mathematik, Lehramt, an der Universität Mainz, Staatsexamen 2000, Promotion 2007, seit April 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Mittlere und Neuere Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte. Seit Dezember 2010 Geschäftsführerin des 49. Deutschen Historikertags 2012 in Mainz. 

Forschungsschwerpunkte und Projekte: Sozialgeschichte, Geschichte des Patriziats, Vergleichende Landesgeschichte. 


Welchen Stellenwert nehmen Tagungen im Berufsleben eines professionellen Historikers ein?

Tagungen sind für Wissenschaftler grundsätzlich schon wichtig. Sie bieten eine der besten Möglichkeiten, aktuelle Forschungen zu präsentieren und zu diskutieren. 

Was ist die Absicht einer spezifischen Fachtagung? 

Das kommt auf den Rahmen der Tagung an. Wenn man eine spezifische Fachtagung betrachtet, z.B. „Das Kaufhaus im Mittelalter“, geht es darum, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen, verschiedene Aspekte zu beleuchten, Erkenntnisse zusammenzuführen und sich mit Kollegen auszutauschen. Für den Historikertag sieht das etwas anders aus. Es gibt zwar ein Motto, das in Mainz „Ressourcen – Konflikte“ war, aber das epochale und thematische Spektrum ist auf dem Historikertag wesentlich breiter. Die einzelnen Sektionen kann man wiederum als „Kleintagungen“ sehen, die ein spezielles Thema unter dem Motto mit den Fragestellungen der einzelnen Epochen und Schwerpunkte untersuchen. 

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Planung und Organisation einer Fachtagung? 

Der Historikertag, der mit über 3.000 Besuchern einer der größten geisteswissenschaftlichen Kongresse in Europa ist, stellt die Organisation mit seiner Größe, der Vielzahl von Beteiligten und der Komplexität, die sich unter anderem daraus ergibt, vor verschiedene Herausforderungen. Zum einen ging es hierbei um das wissenschaftliche Programm, wofür der Historikerverband verantwortlich ist. Der Ausschuss des Historikerverbands entscheidet über das Motto, schreibt den Call for Papers aus, wählt aus den eingegangenen Vorschlägen Sektionen aus und legt damit das wissenschaftliche Programm fest. Dann mussten Termin und Ort des Kongresses festgelegt und die Einladung an die Referenten ausgesprochen werden. Auf der Grundlage wurde dann das Tagungsprogramm festgelegt, das mit den verschiedenen Programmteilen sehr umfangreich ist. Allein das wissenschaftliche Programm umfasste an den drei Kongresstagen 68 Sektionen und rund 400 Vorträge. Abgesehen von den organisatorischen Details war es vor allem wichtig, die zu erwartenden Teilnehmerzahlen der Sektionen mit den Raumgrößen abzustimmen. Dann war insbesondere die Fachausstellung zu organisieren, d.h. die Ausstellung war zu konzipieren, die Standflächen mussten vermarktet und die Aussteller betreut werden. Ein weiterer großer Organisationsbereich stellte das Rahmenprogramm mit seinen fast 40 Veranstaltungen dar, das zusammengestellt und koordiniert werden muss. Nicht zuletzt gehörten zum Historikertag die beiden großen Festveranstaltungen im Kurfürstlichen Schloss und in der Coface-Arena mit jeweils rund 750 Gästen, die geplant werden mussten. Neben den verschiedenen Programmteilen des Historikertags gehören aber selbstverständlich auch allgemeine Fragen der Veranstaltungsorganisation dazu, z.B. die Reservierung der Hotelkontingente, die Organisation der Bustickets für die Teilnehmer und die Planung der Finanzen.

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten halten Sie für die Planung und Organisation einer Tagung für erforderlich? 

Hilfreich für die Organisation ist sicherlich, wenn man strukturiert und organisiert arbeiten kann und eine hohe Motivationsfähigkeit mitbringt. Aber es gehören auch Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und verbindliches Auftreten dazu. In der heißen Phase vor und während des Kongresses ist es dann sehr gut, wenn man belastbar ist. 

Was war Ihnen persönlich wichtig bei der Programmzusammenstellung des Historikertags? 

Für das wissenschaftliche Programm ist der Verband als Veranstalter zuständig. Was das Mainzer Ortskomitee geplant hat, war vor allen Dingen das Rahmenprogramm. Unsere Überlegung war, dass wir den Besuchern die Möglichkeit geben wollten, Universität, Stadt und Land kennenzulernen. Das heißt, bei der Auswahl der einzelnen Veranstaltungen des Rahmenprogramms haben wir darauf geachtet, die Angebote dementsprechend auszuwählen. 

Welche Rolle spielten Ihre studentischen Hilfskräfte bei der Organisation des Historikertags? 

Die studentischen Hilfskräfte, gerade die, die im Organisationsbüro mitgearbeitet haben, haben eine ganz entscheidende Rolle bei der Organisation und Durchführung gespielt. Jeder im Organisationsbüro war für einen Teilbereich zuständig, den er dann auch im Vorfeld sehr selbstständig bearbeitet und organisiert hat und auch während des Historikertags eigenständig betreut hat. Sie haben ihre Sache sehr gut gemacht und damit wesentlich zum Erfolg beigetragen. Ich gehe davon aus, dass sie umgekehrt sehr viele Erfahrungen gemacht haben, die sie später nutzen können. Sie haben in einer anderen, intensiveren Art und Weise den Historikertag miterlebt und mitgestaltet als die Tagungshelfer, die im September dazugekommen sind und uns vor und während des Historikertags bei der Durchführung geholfen haben. 

Die Auswahl der studentischen Hilfskräfte im Organisationsbüro erfolgte unterschiedlich. Zum Teil waren es Blindbewerbungen, zum Teil Empfehlungen. Wir haben sie uns alle angeschaut und nach einem Vorstellungsgespräch entschieden, ob es passt. 

Wir hatten im Organisationsbüro sieben Hilfskräfte und während des Historikertags 95 Tagungshelfer, die alle Studierende aus dem Historischen Seminar waren und sich freiwillig gemeldet haben. Sie haben das alle toll gemacht und das Historische Seminar phantastisch repräsentiert. Diese Rückmeldung haben wir von allen Beteiligten erhalten. Ansonsten haben wir von der Uni insgesamt, von den verschiedensten Abteilungen bis hin zum Präsidenten immer wieder Hilfe und Unterstützung erhalten. 

Wie schätzen Sie die Einbindung von Studierenden auf Fachtagungen im Allgemeinen ein? 

Eine allgemeine Einschätzung ist nicht einfach. Die Einbindung von Studierenden ist stark vom jeweiligen Zuschnitt der Tagung abhängig und der Phase des Studiums, in der sich die Studierenden befinden. Vermutlich werden Studierende häufiger als Unterstützung zur Durchführung eingebunden, gerade wenn sie erst am Anfang ihres Studiums stehen. Für Studierende hingegen, die in ihrem Studium bereits weiter fortgeschritten sind und ihre Abschlussarbeit schreiben, besteht sicher auch die Möglichkeit, aktiv an einer Tagung teilzunehmen. 

Sehen Sie hier Entwicklungspotentiale? 

Das Studium ist so breit gefächert, dass sich wenige Möglichkeiten bieten, so tief in ein bestimmtes Thema einzusteigen, als dass Studierende einen aktiven Beitrag zu einer Tagung leisten können. Wenn Studierende mehr eingebunden werden sollen, könnte das aber zum Beispiel auf einer Tagung geschehen, die aus studentischer Initiative entsteht, lediglich mit Unterstützung von Dozenten. Es gibt beispielsweise die International Students of History Association, die 2013 in Berlin einen Kongress abhält.

Der Historikertag dürfte mit der Einbindung der Studenten in die Organisationsarbeit aber beinahe einmalig sein. Die Organisation einer Tagung kann in die Lehre daher auch nur schwer übertragen werden. 

Halten Sie die Etablierung einer studentischen Sektion z. B. auf dem nächsten Historikertag für illusorisch? 

Ich halte eine reine studentische Sektion aus den oben genannten Gründen für eher unwahrscheinlich. Der Historikertag hat ja mit dem Doktorandenforum schon einen Programmteil, in dem es um den Nachwuchs geht, der auch schon forscht, was bei Studierenden, die auf den Abschluss hinarbeiten, in dem Maße noch nicht der Fall sein kann. 

Welche Möglichkeiten bieten Tagungen Studierenden und jungen Fachwissenschaftlern zur Förderung und Ausprägung der persönlichen und wissenschaftlichen Fähigkeiten? 

Meiner Erfahrung nach kann die Teilnahme an einer Tagung sehr viel bieten, da man dort ein Thema in der Breite bzw. Tiefe durchdringen und erfahren kann, über welche Methoden und Ansätze diskutiert wird. Das macht die Beteiligung an solchen Tagungen wertvoll und hat auch immer wieder den Effekt, dass man danach am liebsten sofort an seinem Thema weiterarbeiten möchte. 

Glauben Sie, dass die in diesem Jahr erstmals vertretene Sektion „eHumanities“ zu einem festen Bestandteil künftiger Historikertage wird? 

Bei dieser Frage müsste ich auf den Verband verweisen. Aber soweit ich weiß, soll diese Art von Sektionen fortgesetzt werden. Der Zuspruch auf dem diesjährigen Historikertag war recht groß, sodass man davon ausgehen kann, dass das weitergeführt wird. 

Der 49. Deutsche Historikertag 2012 in Mainz – ziehen Sie Bilanz: 

Wie bewerten Sie die fachliche Ausrichtung? 

Meiner Einschätzung nach war das Thema „Ressourcen – Konflikte“ ein gut gewähltes Thema, das viele aktuelle Anknüpfungspunkte geliefert hat. Es ist dem Verband gelungen, ein spannendes Programm zusammenzustellen, das die verschiedenen Epochen und Teildisziplinen abgedeckt hat. 

Wie verlief die Planung und Organisation? Gab es größere Probleme? 

Damit bin ich sehr zufrieden. Wir haben das, was wir uns für den Historikertag vorgenommen haben, umsetzen können. Es gab keine größeren Probleme. Die kleineren Dinge, die aufgetreten sind, sind völlig normal und konnten immer behoben werden. Von daher bin ich, was die Planung und Organisation betrifft, tatsächlich sehr zufrieden. 

Wie schätzen Sie die Wahrnehmung durch Presse und Öffentlichkeit ein? 

Damit sind wir auch zufrieden. Wir sind in den Medien sehr breit vertreten gewesen. Es gab eine ganze Reihe von Artikeln in den Print-Medien und etliche Beiträge in Rundfunk und Fernsehen. Auch der Zuspruch in den Social Media war zufriedenstellend, unsere Facebook-Seite wurde gut angenommen, und auf Twitter wurde direkt aus den Sektionen berichtet. 

Frau Dr. Ochs, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. 


Julia Fichtner ist Studierende der Geschichte und der Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Studiengang Bachelor of Arts
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Unveränd. Zweitpubl. v. Julia Fichtner: Blick in die Historikerwerkstatt: Interview mit Dr. Heidrun Ochs zum 49. Deutschen Historikertag 2012, in: Skriptum. studentische onlinezeitschrift für geschichte und geschichtsdidaktik Ausg. 1/2012, URN:
urn:nbn:de:0289-2012110211

Empfohlene Zitierweise

Fichtner, Julia: Blick in die Historikerwerkstatt: Interview mit Dr. Heidrun Ochs zum 49. Deutschen Historikertag 2012. aventinus generalia Nr. 17 [04.01.2013] / Skriptum 2 (2012), Nr. 1, in: aventinus, URL: http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9762/

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Erstellt: 03.01.2013

Zuletzt geändert: 04.01.2013